In meinen Yogastunden verwende ich oft Wörter wie: „Alles entspannen“, „loslassen“ oder „lass im ganzen Körper los“. Manchmal gehe ich mir selbst auf die Nerven, aber es ist ein Teil von mir geworden und ich selbst muss mich daran immer wieder erinnern.
Für Anfänger im Yoga ist es oft schwer zu entspannen weil der Fokus auf der Ausführung von Asanas liegt („Mache ich das richtig?“, „Schaffe ich das?“). Es ist aber auch für Menschen die schon lange Yoga machen, schwer richtig und wirklich, tatsächlich zu entspannen. Durch Yoga wird man nicht vom Leben geschohnt! Eine rosa Yogamatte ist keine Garantie dass dich dein Leben nie wieder herausfordern wird.
Der Körper und der Geist speichern alles und verarbeiten ständig, auch wenn man das nicht will. Gerade deswegen ist die Entspannung von unglaublicher Wichtigkeit für unseres eigenes, und nicht nur unseres eigenes, Wohl.
Es ist nicht leicht, das ganze Leben einfach so „zu entspannen“. Seit der Geburt ist man ständig in einer Art Anspannung. Durch das Leben, besonders in einer Großstadt, durch alle Umstände und Besonderheiten des Lebens, vergessen wir zu entspannen und bleiben zu oft im Modus der Abwehr oder Flucht.
Ich merke dass mir die Tage um Weihnachten und Silvester sehr gut getan haben, obwhol ich Yoga im Sinne von Asanas (Yogahaltungen) nicht gemacht habe. Diese Tage kann man eher als tamasisch beschreiben; Tamas ist in Sanskrit das Wort für die „dunkle“ Eigenschaften wie z.b. Trägheit, Faulheit oder Lethargie. Eigentlich keine wünschenswerte Eigenschaften, aber es ist falsch zu behaupten, dass sie nicht in Ordnung sind. Sie sind ein Teil des Kreises welcher nach der yogischen (und auch ayurvedischen) Lehre, aus Tamas, Rajas und Sattwa besteht. Rajas ist die Eigenschaft der Aktivität / Bewegung und Sattwa ist die Eigenschaft der Ausgeglichenheit und Frieden.
Wir streben zum Sattwa, aber das ist oft so schwer, auch deswegen weil wir nicht ausreichend entspannen und loslassen können. Im Leben wird es immer zu reibungen kommen, auch wenn wir im Sattwa Zustand sind. Aber je mehr wir in diesem Zustand sind, desto mehr können wir unsere Reaktionen auf die Umgebung entsprechend ändern.
Für viele ist es nicht leicht mit der Entspannung, oder vom Außen gesehen, mit dem Nichtstun klarzukommen. Wir sehen oft nicht dass das Nichtstun eigentlich ganz schön Vieltun ist. Das ist eine Zeit der Vorbereitung und Sich-sammeln. Eine absolut notwendige Zeit. Manchmal darf man sich sogar gehen lassen, besonders wenn man ein Mensch ist der ständig etwas tun muss um sich von sich selbst abzulenken, wenn man arbeitssüchtig oder zum Burn Out neigt.
Yoga und die Entspannung beim Yoga ist ein Weg zur mehr Entspannung im Leben. Eine Yogastunde besteht aus Asanas, also Yogakörperhaltungen, aber das wichtigste ist eigentlich die Endentspannung wo man einfach auf dem Rücken liegt und versucht sich nicht zu bewegen und nicht einzuschlafen wenn es geht (aber einschlafen ist, für mich, auch ein gutes Zeichen; wenn der Körper es so will, dann hat er es auch dringend gebraucht!).
Es gibt Menschen und Yogastunden wo man schon vor der Endentspannung rausgeht oder man hat keine Zeit oder Umstände dafür. Damit verpasst man einen sehr wichtigen, wenn nicht den wichtigsten Teil des Yogas. Erst in dieser Endentspannung fängt Yoga eigentlich zu wirken! Und hält danach. Damit unterscheidet sich Yoga auch vom Sport, Fitness oder Entertaintment.
Ohne Endentspannung kann es zu kleineren „Nebenwirkungen“ kommen, es fehlt etwas, dieser langsamer Ausgleich, ein natürlicher Prozess wird unterbrochen. Shavasana (Totenhaltung) schließt eine Yogapraxis ab und regeneriert auf allen Ebenen. Ganz schön ist es zu beobachten wie sich dabei die Gehirnwellen verwandeln, in einen tieferen Zustand kommen wo man den Zugriff auf das Unterbewusstsein und Intuition hat.
Je tiefer die Entspannung, desto tiefer ist der heilende Effekt des Yoga.
Eine richtige Entspannung ist wie eine leichte Trance, aber gleichzeitig vollkommene Präsenz. Eine richtige Entspannung unterscheidet sich von einer Ablenkung (weiterer Reizüberflütung) in dem man merkt dass man gelassener auf die Lebensumstände reagiert. Eine tiefe, Entspannung gibt auch manchmal neue Ideen und Lösungen, sie kommen oft im Zustand wo man das Rationale so viel wie möglich ausschließt. In einer richtigen Entspannung kommt man auf das Wesentliche und lässt los, was nicht (mehr) wichtig ist.
Hier sind ein Paar kurze, praktische Übungen für verschiedene Entspannungen, beim Yoga oder auch woanders:
1. Fühlst du dich aufgeregt, atme in den Bauch hinein. Höre besonders deine Ausatmung dabei.
2. Um zu entspannen, fange mit kleinen, aber sehr wichtigen Schritten. Schließe die Augen. Entspann die Augen – bewusst. Was hast du davon wenn du die Augen schließt aber sie weiter auch geschlossen unruhig bleiben?
3. Richte den Blick nach innen, schau liebevoll zu dir selbst. Vielleicht glaubst du dass du im Leben nicht alles richtig gemacht hast, aber jetzt, in diesem Moment in dem du die Augen geschlossen hast, ist alles richtig so wie es ist, weil es nur jetzt gibt. Sonst wärst du auch nicht hier. Und auch nicht jetzt.
4. Lass dir Zeit um wieder einzuatmen oder halte für ein Paar Momente die Luft nach dem du eingeatmet hast. Nimm diese Milisekunden des nicht-Atmens wahr. Die Momente zwischen Ein- und Ausatmen und Momente zwischen Aus- und Einatmen. (Diese Übung solltest du aber nur dann machen wenn du dich dabei 100% wohlfühlst.)
5. Vor dem Schlafen gehe bewusst durch deinen Körper und entspanne Schritt für Schritt den ganzen Körper oder kürzer: lass deinen Körper so entspannen als ob er mit der Matratze verschmelzen möchte, lass dich fallen. Du wirst merken wie angespannt du warst – ohne es zu merken!